Wir informieren Sie regelmäßig über interessante Urteile und Grundsatzentscheidungen sowie über Neuigkeiten aus unserer Kanzlei.
Aktuelle Entscheidungen:
1. OLG Frankfurt: Pflichten des als Belegarzt operierenden Gynäkologen beim "Bridging".
Mit Urteil vom 18.12.2014 hat der 22. Zivilsenat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 17. Zivil‐kammer des LG Darmstadt vom 15.2.2012 (Az. 17 O 371/09) zurückgewiesen.
Die Klägerin stellte sich 2007 auf Empfehlung ihrer Frauenärztin bei dem Beklagten vor, der an einem Krankenhaus als Belegarzt tätig ist. In der Zeit vor der Operation nahm die Klägerin seit mehr als einem Jahr Marcumar zur Blutverdünnung ein, welches sie aber aufgrund einer
Beratung in einer kardiologischen Praxis absetzte, ohne zuvor auf Hepa‐rin umgestellt zu werden (sog. Bridging). Die gynäkologische Operation verlief problemlos, am Abend des Operationstages erlitt die Klägerin jedoch einen Hirninfarkt, der zu bleibenden körperlichen Ein‐schränkungen führte.
Das Landgericht hat die Klage auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB abgewiesen und im Wesentlichen darauf gestützt, ein Behandlungsfehler des Beklagten sowie die Kausalität zwischen einer
evtl. falschen Medikation und dem erlittenen Hirninfarkt seien nicht
bewiesen.
Nach Auffassung der Berufungsinstanz kommt es vor allem auf die Art des vorzunehmenden Eingriffs an, dabei ist besonders auf das Risiko einer nichtstillbaren Blutung abzustellen. Der bei der Klägerin vorzunehmende Eingriff war in dieser Hinsicht risikoarm. Ebenso hat der Beklagte nicht selbst die Umstellung von Marcumar auf Heparin angeordnet und dabei ein besonderes Risiko für die Patientin geschaffen. Vielmehr hat er darauf vertraut, dass der von anderen initiierte laufende Umstellungsprozess ordnungsgemäß durchgeführt wird. Dies
entspricht auch den Grundsätzen der horizontalen Arbeitsteilung zwischen Fachärzten verschiedener Disziplinen.
Weiterhin entspricht es dem geltenden fachärztli‐chen Standard, bei der kurzen Visite am Nachmittag des Operationstags, nur den klinischen Zustand der Patientin zu prüfen und nicht Einblick in die Pflege‐dokumentation zu nehmen.
Quelle: OLG Frankfurt 22. Zivilsenat, Urteil vom
18.12.2014, Az: 22 U 57/12.
2. OLG Koblenz: Irreführende Werbung ‐ Pharmazeutischer Unternehmer wirbt für eine
Indikation gegen Schlafstörungen. Eine Zulassung besitzt er jedoch
nur für „nervöse Unruhezustände“.
Das Werben für eine nicht zugelassene Indikation ist nur statthaft, wenn aus dem Text deutlich hervor‐geht, dass die beworbene Wirkung eine zusätzliche Wirkung hat.
In dem Berufungsverfahren vor dem OLG Koblenz galt es zu klären, ob das Werben mit einem nicht zugelassenen Anwendungsbereich einen Verstoß gegen §§ 3, 3a und § 5 HWG darstellt.
Die Beklagte vertreibt als pharmazeutisches Unternehmen ein Arzneimittel, das Auszüge aus der Passionsblume enthält. Das Arzneimittel ist rezeptfrei und für das Anwendungsgebiet „nervöse Unruhezustände“ zugelassen. Im Rahmen von Fernsehbeilagen in Tageszeitungen wirbt die Beklagte für das Arzneimittel. Dazu verwendet sie Sätze wie: „mit diesem Natur‐Arzneimittel kommen Sie gut durch den Tag und können abends entspannt einschlafen". Somit wird immer ein Bezug zu Schlafstörungen hergestellt.
Der Kläger strebt die Feststellung einer irreführenden Werbung an. Die Beklagte werbe mit Anwendungsgebieten außerhalb der Zulassung. Im Fokus der Anzeigen stehe deutlich die Anwendung bei Schlafstörungen. Die eigentliche Indikation könne der typische Adressat der Werbung im Rahmen der Fernsehbeilage nicht entnehmen. Der Fokus sei durch die jeweiligen Abbildungen und durch die flankierenden Textpassagen eher auf das Feld der Schlafstörungen
gerichtet.
Das OLG bejahte einen Verstoß, da durch die Aufmachung der Werbung, nämlich durch farbig hervorgehobene Überschriften wie: „Deutschlands heimliche Volkskrankheit Nr. 1 ‐ Schlafstörungen“ und „Hauptursache von Schlafstörungen entlarvt“ dem Verbraucher der Anwendungsbereich im Hinblick auf Schlafstörung vermittelt wird. Dies erfüllt den Tatbestand des § 3a HWG, also dem Verbot der Werbung für nicht zugelassene Anwendungsbereiche. Auch das Nennen der nervösen Unruhe als möglicher Auslöser für Schlafstörungen reicht nicht aus, um auf eine bloß zusätzliche bzw. untergeordnete Wirkung gegen Schlafstörungen
hinzuweisen.
Des Weiteren war auch der Umstand irrelevant, dass in den Pflichtangaben das zutreffende Anwendungsgebiet „nervöse Unruhezustände“ genannt ist. Pflichtangaben sind grundsätzlich ungeeignet, etwaige Fehlvorstellungen des Verbrauchers im Rahmen des § 3 a HWG zu korrigieren.
Auch bejaht das OLG eine irreführende Werbung im Sinne des § 3 S.2 Nr.1 HWG, indem mit einer Wirksamkeit hinsichtlich der Behandlung von Schlafstörungen geworben wird, die wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist.
Quelle: Urteil des OLG Koblenz vom 17.12.2014, Az.:
9 U 834/14.
3. OLG Sachsen‐Anhalt:
Im Zweifel ist den Angaben des Arztes über eine erfolgte Risikoaufklä‐rung zu glauben – bei Beweisen für ein Aufklärungsgespräch.
Kann der Arzt schlüssig darlegen und hinreichend beweisen, dass ein Aufklärungsgespräch stattgefunden hat, so ist auch im Zweifel auf eine erfolgte Risikoaufklärung zu schließen.
Das OLG Sachsen‐Anhalt hatte in seinem Urteil vom 4.12.2014 zu klären, ob ein Zahnarzt über die Risiken einer Wurzelbehandlung und der Extraktion der Zähne als „ultima ratio“ seine Patientin hinreichend
aufgeklärt hatte.
Die Klägerin macht gegen den Beklagten Zahnarzt Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB im Sinne eines Aufklärungsfehlers geltend. Innerhalb eines Jahres wurden bei der Klägerin an mehreren Zäh‐nen
Wurzelbehandlungen durchgeführt.
Auf Grund von Entzündungen und Schwellungen im Mundbereich wurde ein Zahn schließlich extrahiert. Die Klägerin rügt, dass sie nicht über die Behandlungsalternative einer Wurzelbehandlung in Form einer sofortigen Extraktion sowie über den Umfang und die Risiken einer Wurzelbehandlung aufgeklärt worden sei.
Bei einer solchen Kenntnis, hätte sie sich für eine sofortige Extraktion
entschieden.
Der Beklagte verneint die Behandlungsalternative. Eine Aufklärung habe stattgefunden, insbesondere mit dem Hinweis auf den hohen Wert, einen Zahn zu erhalten. Die Wurzelbehandlung sei immer vorzugs‐
würdiger als eine Extraktion eines Zahnes im Sinne einer „ultima ratio“. Eine solche sei jedoch für den Fall des Misserfolges der Klägerin angeraten worden.
Trotz fehlender schriftlicher Dokumentation derselben, nimmt das OLG keinen Aufklärungsfehler an.
Der Beklagte konnte überzeugend darlegen, die Klägerin über die Behandlungsmethode und deren Erfolgsaussichten aufgeklärt zu haben.
Das Gericht führt an, dass bei hinreichenden Beweisen für ein erfolgtes Aufklärungsgespräch auch zugleich auf eine Risikoaufklärung zu schlie‐ßen ist. Nach weit vertretener Ansicht erfolgt eine solche Aufklärung bei der Besprechung des Eingriffs. Des Weiteren sind an den Nachweis einer Aufklärung keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Auch ergibt sich aus der Anzahl der Behandlungen der Klägerin, dass ein „wortloses Hinnehmen“ der Wurzelbehandlung wohl nicht zutreffend ist. Eine ex‐post Betrachtung der Klägerin, eine Zahnwurzelbehandlung dergestalt heute nicht mehr durchführen zu lassen, ist für die Bewertung des Gerichts ohne Belang.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Quelle: Urteil des OLG Sachsen‐Anhalt vom
4.12.2014, Az.: 1 U 66/14.
Anschrift
Rechtsanwaltskanzlei Bahlol
Paul-Goosmann-Straße 15
28359 Bremen
Telefon
+49 421 32285752
info@rechtsanwaltskanzlei-bahlol.de
Oder nutzen Sie unser Kontaktformular.
Neuer Internetauftritt
Erfahren Sie jetzt auch im Internet alles über unsere Leistungen und Rechtsschwerpunkte.